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Barrierefreiheits-stärkungsgesetz 2025: Bist du davon betroffen?

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz 2025: Bist du davon betroffen?

Ab Juni 2025 müssen Produkte und Dienstleistungen für Endverbraucher in Deutschland barrierefrei sein – das gilt auch für Anbieter von Online-Shops und Online Dienstleistungen. Was das für deine Webseite heißt und wie du die Vorschrift jetzt umsetzt

Der Name klingt nach deutscher Bürokratie: “Barrierefreiheitsstärkungsgesetz”. Wow. Wer denkt sich so ein Wortmonster aus?

Nach dem Lesen dieses Artikels, weißt du:

    •  Was ist das überhaupt für ein Gesetz? 

    • Wer ist betroffen? 

    • Und was bedeutet es für dein Business?

Bereits seit 2021 müssen in Deutschland Behörden und öffentliche Stellen für Barrierefreiheit sorgen. Damit sind nicht nur bauliche Veränderungen wie Rampen oder Aufzüge gemeint.

Sondern nahezu alles.

Vom Formular über den Bezahl-Automaten bis zum Antrag: alle Produkte und Dienstleistungen sollen problemlos zugänglich sein – damit auch Menschen mit Hör- oder Sehbehinderung ohne Hürden durch den Alltag kommen.

Ab 28. Juni 2025 gilt das nun auch für die Privatwirtschaft. Eine entsprechende EU-Richtlinie¹ wird dann in nationales Recht umgesetzt. 

Das ist keine Kleinigkeit: Wird das Gesetz nicht eingehalten, drohen Mahnungen und Bußgelder. 

Allerdings ist nicht jedes Business davon betroffen. Welche Ausnahmen es gibt, das erkläre ich dir unter Punkt 1.

Was ich aber unbedingt noch loswerden möchte: Wir sind keine Medienrechtsanwältinnen. Daher können wir weder eine professionelle Beratung übernehmen, noch Gewähr für die hier gemachten Angaben übernehmen (auch wenn wir alles nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert haben).

Unser Überblick kann dir aber eine erste Einschätzung geben, ob und wie du als Unternehmerin oder Selbstständiger aktiv werden musst.

Muss ich überhaupt aktiv werden?

Die wichtigste Unterscheidung ist die zwischen B2B und B2C. 

Das sagt dir nichts? Ganz einfach: B2B heißt “Business to Business”, betrifft also Einzelanbieter und Firmen, die ausschließlich Geschäftskunden haben. Das kann zum Beispiel sein: 

    • eine Programmiererin, die auf Tagessatzbasis für IT-Firmen arbeitet

    • ein Caterer, der nicht an Privatpersonen liefert, sondern z.B. an Schulen, Altersheime, Krankenhäuser

    • ein Business Coach, der von Firmen dafür bezahlt wird, dass er ihre Führungskräfte coacht oder Change-Management-Prozesse begleitet

Für B2B Anbieter und ihre Webseiten gilt das BFSG nicht! Wobei es trotzdem sinnvoll sein kann, sich mit dem Thema Barrierefreiheit zu beschäftigen (dazu später mehr).

Für Selbständige und Firmen im B2C-Segment (Business to Consumer, also Angebote für Endkunden) gilt das Gesetz – allerdings mit Ausnahmen. Schauen wir uns das einmal im Detail an.

 

Ein paar praktische Beispiele für Firmen, die das BFSG umsetzen müssen: 

  • Ein Onlineshop mit mehr als zwei Millionen Umsatz pro Jahr
  • Ein Unternehmen mit 15 Mitarbeitern, das digitale Kurse für Webdesign anbietet

Das Gesetz gilt für “alle Dienstleistungen, die online angeboten und elektronisch erbracht werden und zum Abschluss eines Verbrauchervertrages führen.”

In Kürze: Wer an Endverbraucher verkauft oder Dienstleistungen anbietet UND mehr als 10 Mitarbeiter hat ODER mehr als 2 Millionen Euro Umsatz pro Jahr erwirtschaftet, muss das BFSG umsetzen.

Ich falle nicht unter das Gesetz – bleibt dann alles beim Alten?

Auch wenn du nicht verpflichtet bist, solltest du das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz 2025 zum Anlass nehmen, um nachzudenken: Wäre das nicht auch für meine Kunden und mich sinnvoll?

Immerhin sind zehn Prozent aller Deutschen auf irgendeine Form von Barrierefreiheit angewiesen² – darunter sind auch DEINE potentiellen Kunden!

Und all diese Menschen haben Angehörige, die für das Thema oft besonders sensibel sind. Auch diese meiden unter Umständen Unternehmen, die ihre Liebsten auf diese Weise ausschließen.

Last but not least: Es kann jeden von uns treffen. 

Nur drei Prozent aller Menschen werden mit einer Behinderung geboren, 97 Prozent der Einschränkungen entstehen im Lauf des Lebens durch Unfälle oder Krankheiten, gerade im Alter³. 

Wir denken also auch an unser künftiges Ich und das unserer Mitmenschen, wenn wir Webseiten barrierefrei gestalten.

Auch Suchmaschinenoptimierung (SEO) und Barrierefreiheit haben einige Überschneidungen:

Alt-Texte für Bilder etwa helfen nicht nur Menschen mit Sehbehinderungen, sondern auch den Suchmaschinen, die Inhalte besser zu verstehen. 

Was gut für die Inklusion ist, ist also auch gut fürs Ranking!

Und auch wenn Barrierefreiheit an sich noch kein Faktor für den Google-Algorithmus ist – es ist gut möglich, dass die Entwicklung in den kommenden Jahren dorthin geht. 

Und du willst ja nicht hinterherhinken.

Wie sind die Fristen zur Umsetzung?

Stichtag ist der 28.06.2025 – für Produkte wie für Dienstleistungen. Das gilt auch für Onlineshops⁴. 

Ausnahmen:

Wenn du keinen Webshop hast, aber eine Webseite mit Angeboten für Kunden, dann gewährt dir das Gesetz eine fünfjährige Übergangsfrist. Denn Webseiten und Apps gelten – anders als Webshops –  nicht als eigenständige Dienstleistung.

Eine weitere Ausnahme sind Webseitenarchive: Wenn klar ist, dass hier nichts mehr aktualisiert wird, dann fallen sie nicht unter das BFSG.

Dieses Schaubild gibt dir Klarheit:

Welche Vorschriften stehen eigentlich hinter dem Gesetz?

Grundlage ist die europäische Richtlinie 2019/822, der “European Accessibility Act”. Eine Vorgabe der EU zur Barrierefreiheit in Europa.

Das BFSG stützt sich auf die europäische Norm (EN) 301 549, die sich wiederum an der internationalen Richtlinie für barrierefreie Webinhalte (WCAG) orientiert⁵.

Diese hat drei Abstufungen:

Stufe A beschreibt grundlegende Anforderungen, ohne die eine Benutzung der Webseite für Menschen mit Behinderung nicht möglich ist.

Die nächste Stufe AA enthält alle Anforderungen, die Webseiten für die große Mehrheit der Menschen mit Behinderung zugänglich machen.

Diese beiden Stufen (A und AA) sind ohne großen Aufwand umsetzbar und entsprechen den EU-Vorgaben.

Die höchste Stufe AAA erfordert den meisten Aufwand. Sie ist vom Gesetzgeber aber nicht gefordert. Also eher etwas für Perfektionisten, die alles zu hundert Prozent richtig machen wollen.  

Was genau regeln diese Vorschriften?

Schauen wir uns nochmal genauer an, was von der EN 301 549 alles abgedeckt wird – was du also auf deiner Webseite konkret anpassen solltest.

In Kapitel 9 finden wir folgende Auflistung:

    • 9 Web 

    • 9.0 Allgemeines (informativ) 

    • 9.1 Wahrnehmbar 

    • 9.1.1 Textalternativen 

    • 9.1.2 Zeitbasierte Medien 

    • 9.1.3 Anpassbar 

    • 9.1.4 Unterscheidbar 

    • 9.2 Bedienbar 

    • 9.2.1 Tastaturbedienbar 

    • 9.2.2 Ausreichend Zeit 

    • 9.2.3 Anfälle und körperliche Reaktionen 

    • 9.2.4 Navigierbar 

    • 9.2.5 Eingabemodalitäten 

    • 9.3 Verständlich 

    • 9.3.1 Lesbar 

    • 9.3.2 Vorhersehbar 

    • 9.3.3 Eingabeunterstützung 

    • 9.4 Robust 

    • 9.4.1 Kompatibel 

    • 9.5 WCAG 2.1 Stufe-AAA-Erfolgskriterien 

    • 9.6 Konformitätsanforderungen der WCAG

Was diese Punkte im Einzelnen bedeuten und wie man sie überprüft, findest du auf der Seite BITV-Test. 

➡️ An allen Punkten hast du einen Haken dran? Dann brauchst du noch eine barrierefrei zugängliche “Erklärung zur Barrierefreiheit” auf deiner Internetseite. Hier kannst du einen Mustertext herunterladen. 

➡️ Und noch ein kleines Extra: Deine Internetseite braucht eine Kontaktmöglichkeit, unter der Nutzerinnen und Nutzer Barrieren melden können. Das hilft dir, dich weiter zu optimieren.

Und was heißt das jetzt auf Deutsch?

Okay, das war jetzt viel Fachchinesisch. Musste aber sein – bei Gesetzen wollen wir es gerne genau nehmen.

Trotzdem fragst du dich jetzt wahrscheinlich: Wie muss ich mir Barrierefreiheit ganz konkret für meine Webseite vorstellen?

Also nochmal in Alltagssprache (die ich dir eh für deine Texte auf der Webseite empfehle) 

1. Du brauchst ausreichende Farbkontraste 

Vorder- und Hintergrundfarbe müssen sich optisch stark genug unterscheiden.

Ob das bei dir der Fall ist, kannst du hier checken: Wenn du beide Farben eingibst, muss der Haken mindestens bei AA sein.

2. Links und Schaltflächen müssen per Tastatur bedienbar sein

Einige Nutzende mit Einschränkungen können kleine Links und Schaltflächen nur schwer bedienen. Vor allem mit dem Finger auf einem Tablet oder Smartphone. 

Deshalb sollten interaktive Elemente auf deiner Webseite visuell gut hervorgehoben und mit der Tabulator-Taste (standardmäßig links neben der “Q”-Taste) erreichbar sein.

Das testest du, indem die die eigene Seite öffnest und ausprobierst: 

    • Lassen sich alle Menüpunkte, Buttons und Links mit der Tabulatortaste anwählen?

    • Sind alle Buttons mindestens 24 Pixel hoch und breit?

3. Die Seite muss für Screenreader lesbar sein

Screenreader können geschriebene Texte und Bilder in gesprochene Sprache umwandeln – wichtig für Menschen mit Sehbehinderungen.

Damit das klappt, brauchen Fotos “Alt-Texte”, also Bildbeschreibungen wie: “Foto: Hund mit Ball im Mund.” 

Bei den Überschriften der Seite muss die Formatierung stimmen, von H1 (wichtigste Überschrift, Titel der Seite) bis H6 (kleinste, hierarchisch niedrigste Überschrift).

Ob deine Seite screenreader-tauglich ist, kannst du hier ausprobieren.

4. Deine Sprache: so einfach wie möglich

Vermeide lange Schachtelsätze, Fremdwörter oder unklare Abkürzungen. 

Damit kommst du übrigens nicht nur Menschen mit Behinderungen entgegen, sondern z.B. auch Nutzern, deren Muttersprache nicht deutsch ist. 

Wenn du Fremdwörter nicht vermeiden kannst, dann erkläre sie. 

Wie verständlich deine Texte aktuell sind, sagt dir der Flesch Index: Du solltest mindestens einen Wert von 70 erreichen, besser wäre noch höher. 

5. Wichtig: Auch Formulare müssen barrierefrei sein

Ob Kontaktfeld, Bewertungsskalen oder Warenkörbe: All das sind im Web-Sprech “Formulare”. 

Du musst also sicherstellen, dass Kunden über diese Formulare mit dir in Kontakt treten und bei dir einkaufen können.

Um das zu testen, klickst du jeweils auf die Beschriftung im Eingabefeld (beim Kontaktformular wäre das z.B. das Wort “Vorname”). Dabei muss der Mauszeiger in das Eingabefeld springen – nur dann ist es mit der Beschriftung verknüpft.

Wo kann ich mich weiter informieren?

Du bist vom BFSG angefixt? Die folgenden Links helfen dir weiter, wenn du noch mehr Detailfragen hast:

Was passiert, wenn ich die Vorschriften ignoriere?

Wie ich schon ganz am Anfang gesagt habe: Der Gesetzgeber meint es ernst. Das BFSG ist keine freundliche Empfehlung. 

Hier die Nachteile, wenn du dich nicht daran hältst:

    • Du könntest Kunden verärgern: Verbraucher können sich direkt an die Marktüberwachungsbehörden wenden und Verstöße gegen das Gesetz melden.

    • Du verprellt wichtige Interessenvertretungen wie Verbände und Einrichtungen – auch diese können nach dem Gleichstellungsgesetz entsprechende Vergehen anzeigen.

    • Mitbewerber können ebenfalls Abmahnungen aussprechen. Das kann zu einer Unterlassungsklage führen, u.U. sogar zu Schadensersatzforderungen.

    • Erfüllt ein Produkt oder eine Dienstleistung die gesetzlichen Anforderungen nicht, dann kann die entsprechende Behörde auch einen Rückruf anordnen – oder die Einstellung.

    • Zudem drohen Bußgelder bis zu einer Höhe von 100.000 Euro. 

Und man kann davon ausgehen, dass der Gesetzgeber hart durchgreift⁶. 

Es gibt also mehr als einen guten Grund, dich rechtzeitig mit dem Thema zu beschäftigen – auch für die Zukunft deines Business.

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Marike Frick

Marike Frick

Marike Frick ist ausgebildete Journalistin und zeigt Unternehmern und Einzelkämpfern, wie sie ihre Pressearbeit selber machen können. Ihre Texte sind u. a. in DIE ZEIT, Brigitte Woman, Financial Times Deutschland, Spiegel Online und Business Punk erschienen. Sie lebt mit ihrer Familie derzeit in Genf, glaubt an die tägliche Ration Kaffee (Barista-Style) und liebt gut gemachte TV-Serien in Kombination mit dunkler Schokolade und Rotwein.

6 Gedanken zu „Barrierefreiheitsstärkungsgesetz 2025: Bist du davon betroffen?“

  1. Hallo Frau Frick,
    ich habe Ihren Artikel zur anstehenden Umsetzung des BFSG gelesen. Im Internet finden sich mittlerweile sehr viele Beiträge zu diesem Thema und was wirklich verwirrend ist, auch unterschiedliche Aussagen. Sie schreiben beispielsweise, dass Online-Shops ab dem Stichtag im Juni 2025 barrierefrei sein müssen. Das habe ich auch gedacht, weil ich diese Information auf anderen Seiten gefunden habe. Vor ein paar Wochen habe ich ein Webinar von E-Recht 24 besucht und dort wurde etwas ganz anderes gesagt: Auch für Online-Shop-Betreiber gilt die Kleinunternehmerregelung, d.h. wenn sie weniger als 10 Mitarbeiter haben und höchstens 2 Mio. Jahresbruttoumsatz, dann brauchen sie den Shop nicht barrierefrei zu gestalten. Ich denke, das stimmt auch, denn einmal sollten die Rechtsanwälte korrekt informiert sein und warum sollte für Online-Shop-Betreiber etwas anderes gelten als für andere Unternehmer. Auf dieser Seite finden Sie einen kostenlosen Barrierefreiheitscheck: https://www.e-recht24.de/ecommerce/13338-website-barrierefrei.html. Er ist zwar simpel, doch ich finde ihn für die wesentlichen Fragen recht nützlich.

  2. Herzlichen Dank, Marike und Team, für diesen wertvollen Artikel und die interessanten Links, die das Überprüfen der eigenen Seite erleichtern.

    Zwei formale Anmerkungen hätte ich – zum einen ist die Schreibweise der Abkürzung BFSG (BarriereFreiheitsStärkungsGesetz), nicht BSFG, wie an einigen Stellen oben zu lesen ist.

    Außerdem ist die kategorische Einstufung „Onlineshop – Ja > BFSG gilt“ nicht ganz korrekt, und die entsprechende Grafik oben etwas irreführend. Mit der Kleinstunternehmerregelung sind auch Unternehmen mit Online-Shop für den Shop selbst nicht vom BFSG betroffen – siehe auch §3 Abs (3) BFSG.
    Quelle: https://www.it-recht-kanzlei.de/faq-barrierefreiheit-online-shops-bfsg.html#:~:text=Gemäß%20§%203%20Abs.,diese%20also%20nicht%20barrierefrei%20gestalten.

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