Zum Inhalt springen

“Nach der TV-Ausstrahlung kamen im Minutentakt Bestellungen rein”

Dorothée Kerstiens gründete für ihre Erst-Veröffentlichtung einen eigenen, kleinen Verlag – denn sie wusste genau: Große Verlage kümmern sich oft viel zu wenig um das Marketing für unbekannte Autoren. Deshalb nahm sie auch die Pressearbeit lieber selbst in die Hand – mit großem Erfolg.

Viele Neu-Autoren glauben: Wenn ich mein Buch in einem großen Verlag veröffentliche, dann macht der natürlich auch die PR für mich. Läuft es so?

Leider nicht. Gerade in den großen Verlagen betreuen die Mitarbeiter im Lektorat und in der PR-Abteilung häufig so viele Titel gleichzeitig, dass sie schlicht keine Zeit haben, sich um jeden Titel intensiv zu kümmern. Das ist für die Autoren oft sehr frustrierend. Bei 80.000 deutschsprachigen Neuerscheinungen pro Jahr gehen viele Bücher schlichtweg unter. Das Einzige, was hilft: Der Autor oder die Autorin nimmt die Pressearbeit selbst in die Hand. 

Du musst es wissen, du bist ja beides: Verlegerin und Autorin.

Genau. Als Verlegerin habe ich ein kleines, feines Programm. Darin erscheinen sehr unterschiedliche Titel, die nicht mal eine thematische Nische abdecken. Aber eines haben sie gemeinsam: Ich verlege besondere Bücher zu relevanten Themen und will damit etwas Positives anstoßen.

"Große Verlage planen Neuerscheinungen oft mit bis zu zwei Jahren Vorlauf, dann hätte meine Story wie eine Nachricht von vorgestern gewirkt. Also habe ich das selbst in die Hand genommen."

Dorothée Kerstiens
Inhaberin des Wermeling-Verlages

Wie bist du denn überhaupt auf die Idee gekommen, einen Verlag zu gründen?

Gegründet habe ich den Verlag 2019, um ein Buch über die Münsteraner Traditionskonditorei “Grotemeyer” zu veröffentlichen. Die Konditorei musste nach fast 170 Jahren schließen. Die Chefin hat mir ihre Kaffeehausgeschichten und die bis dahin geheimen Rezepte zur Veröffentlichung angeboten – eine Riesenchance!. Die Bucherscheinung musste schnell gehen, sonst hätte der aktuelle Bezug gefehlt. Große Verlage planen Neuerscheinungen oft mit bis zu zwei Jahren Vorlauf, dann hätte die Schließung der Konditorei wie eine Nachricht von vorgestern gewirkt. Also habe ich das selbst in die Hand genommen.

Eine ziemlich wagemutige Entscheidung.

In der Tat. Aber ich habe so ein Gen, unmögliche Dinge ziehen mich an.

Und dein zweites Buch im Verlagsprogramm?

Das erste Buch war so erfolgreich und ich bekam so viele Leserbriefe dazu, dass ich einen zweiten, ebenfalls sehr erfolgreichen “Grotemeyer”-Band mit weiteren Rezepten geschrieben und veröffentlicht habe. Danach stand für mich aber auch fest: Ich möchte mich als Autorin und Verlegerin nicht auf diese eine Nische “Rezepte” festlegen.

Worum ging es beim dritten Buch?

Da war die Autorin eine Hebamme und Traumafachberaterin, die Trauerarbeit leistet mit Eltern so genannter Sternenkinder – also Babys, die vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben sind. Ich habe sie im Schreibprozess unterstützt, habe das Buch lektoriert und verlegt und mache das Marketing, weil ich durch den langen Vorlauf tief im Thema bin.

Aber war das nicht ein ziemlicher Spagat, von einem leichten Lifestyle-Thema zu einem so traurigen?

Stimmt, das war für mich ein ziemlicher Sprung ins Ungewisse. Trotzdem gab es Gemeinsamkeiten: In alle Projekte ist ganz viel Liebe und Zeit hineingeflossen – und alle sind Herzensthemen. Seit ich diese Bücher verlegt habe, rate ich jedem Autor: Egal, bei welchem Verlag du bist –  mach deine PR zur Chefsache. Denn du weißt am allerbesten, was dein Buch wichtig macht, warum es relevant ist. Und was und wen du damit erreichen willst.

Es gibt da diesen Satz aus dem Marketing: Du kannst nur verkaufen, was du liebst.

Das gilt für Bücher ganz besonders.

"Durch den Kurs habe ich die Scheu verloren vor den großen Tieren in der Branche. Egal ob Die Zeit, Focus etc., da sitzen überall Menschen, die Kommunikation auf Augenhöhe schätzen und auf relevante Themen anspringen."

Dorothée Kerstiens
Inhaberin des Wermeling-Verlages

Du bist 2022 zu den Presse-Rockstars gekommen. Inwiefern hat dir das Programm für die Vermarktung der Bücher) geholfen? 

Das war nach den beiden Konditoreibüchern, und hat mich dabei unterstützt, die Pressearbeit für den dritten Titel noch strategischer aufzusetzen. Dafür musste ich erstmal einen Schritt zurückgehen und meine Homepage überarbeiten, weil ich mich im Zuge des Programms gefragt habe: Wofür stehe ich denn wirklich? Für Bücher, die nachhaltig sind, hochwertig, schön, erfüllend, bei leichten wie bei ernsten Themen.

Du hast ja selbst lange als Journalistin gearbeitet – welche neuen Erkenntnisse über die Medienbranche hat dir deine Fortbildung gebracht?

Ich hatte vor allem im Lokalen gearbeitet. Durch den Kurs habe ich die Scheu verloren vor den großen Tieren in der Branche. Egal ob Die Zeit, Focus etc., da sitzen überall Menschen, die Kommunikation auf Augenhöhe schätzen und auf relevante Themen anspringen. Ich bin mittlerweile viel selbstbewusster bei der Kontaktaufnahme, auch weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass mein eigenes Bauchgefühl der wichtigste Ratgeber ist. Wenn ich an ein Thema glaube, überzeugt es oft auch andere.

"Während und nach  den Ausstrahlungen konnte ich richtig zuschauen, wie über meinen Posteingang im Minutentakt die Bestellungen hereinkamen, aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, aber auch aus dem weiteren Ausland."

Dorothée Kerstiens
Inhaberin des Wermeling-Verlages

Dann erzähl doch mal konkret: Wie bist du denn mit den Büchern an Journalisten herangetreten?

Wie gesagt, beim ersten Buch war ich noch zurückhaltender, weil mir alle Profis prophezeit hatten: Dieses Buch über die Konditorei verkaufst du bestenfalls zwischen Münster und Havixbeck, also in einem Umkreis von 20 Kilometern. Die Schließung war ja ein lokales Thema, das erstmal nur regionale Medien interessierte, denen der Name der Konditorei etwas sagt. Aber dann war die erste 2000er Auflage des Buches innerhalb von vier Wochen ausverkauft, und der WDR wurde auf das Thema aufmerksam, wir kamen ins Fernsehen und der Beitrag wanderte durch verschiedene Sender. Während und nach  den Ausstrahlungen konnte ich richtig zuschauen, wie über meinen Posteingang im Minutentakt die Bestellungen hereinkamen, aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, aber auch aus dem weiteren Ausland. Das hat mich mutig gemacht.

Du hast dann auch überregionale Medien kontaktiert?

Ja, denn ich habe gemerkt: Die Konditorei kennt man vielleicht nur in Münster, aber die Geschichten dahinter, die Sehnsucht nach den gemütlichen Kaffeehäusern, die Themen, die Rezepte, die sind universell. Also habe ich mit einer strategischen Recherche begonnen: Zu welchen Journalisten bei welchen großen Medien passt das Thema “Schließung einer Traditions-Konditorei”? Besonders stolz bin ich auf die Veröffentlichung auf ntv.de. Auch, weil ich da wohl genau mit der richtigen Ansprache auf eine Redakteurin für Food-Themen zugegangen bin. 

Wie denn?

Sie hatte einen Artikel geschrieben über gute Ernährung, in dem ihr “innerer Schweinehund” vorkam, sie nannte ihn Karlheinz. Daraufhin habe ich ihr eine kurze Mail geschickt mit der Betreffzeile: Für diese Torten lassen Sie Karlheinz von der Kette! Es hat dann zwar noch drei Monate gedauert, aber dann kam ihre Antwort: Das sei genau ihr Ding.

"Ich habe meine Autorin unter anderem als Gesprächspartnerin an die “Süddeutsche Zeitung” und an “Die Welt” vermittelt, an Radiosender und Podcasts. Wenn eine Begegnung positiv verläuft, wird man ja auch innerhalb einer Redaktion gerne weitergeleitet."

Dorothée Kerstiens
Inhaberin des Wermeling-Verlages

Volltreffer! Aber du hattest noch andere Presse-Erfolge mit dem Caféhaus-Buch, richtig?
Ja, das Magazin “Landlust” beispielsweise hat vier Seiten gedruckt, inklusive Rezept. Da habe ich auch wieder gemerkt, dass man sich auch vor großen Medien nicht ducken muss – solange man ein Thema hat, für das man brennt und für das man wirklich kompetent ist.

Waren dir diese Kontakte später auch hilfreich für das Buch über Sternenkinder?

Teils, teils. Natürlich waren da andere Ansprechpartner wichtig, auch andere Medien. Ich habe meine Autorin unter anderem als Gesprächspartnerin an die “Süddeutsche Zeitung” und an “Die Welt” vermittelt, an Radiosender und Podcast-Hosts. Die Kontakte von dem Caféhausbuch haben mir als Türöffner genutzt, etwa beim WDR, aber auch bei Printmedien. Wenn eine Begegnung positiv verläuft, wird man ja auch innerhalb einer Redaktion gerne an eine Kollegin, einen Kollegen weitergeleitet.

Das Thema “Sternenkinder” klingt aber  erstmal nicht so massentauglich.

Ich glaube, es gilt bei jedem Buch, sich zu fragen: Was ist der universelle Aspekt des Themas? Und der liegt bei dem Sternenkindbuch (für das es ja unglaublich viele Betroffene und auch interessierte Fachleute gibt) auf der Hand: Wie geht es weiter, wenn mich oder einen Menschen in meinem Umfeld ein Schicksalsschlag trifft, der alles auf den Kopf stellt? Aber bei der PR für dieses Buch ist mir bewusst geworden: Man darf auch Fachzeitschriften nicht übersehen. Artikel im Ärzteblatt über das Buch und im bundesweiten Bestattermagazin etwa habender Autorin sehr viel Aufmerksamkeit gebracht. 

Ein Buch muss man ja nicht nur in den Markt bringen, sondern auch im Markt halten. Was tust du, damit die Aufmerksamkeit der Presse nicht nachlässt?

Wichtig ist, immer wieder Anlässe für neue Berichterstattung zu suchen. Mit dem Sternenkinder-Buch war das zum Beispiel eine Lesung in einer Buchhandlung. Dafür gab es Vorankündigungen in der lokalen Presse, auch nach der Lesung wurde über das Event und das Buch berichtet. Und bei der Lesung selbst haben sich für die Autorin Interviewkontakte ergeben. Gerade jetzt in der dunkleren Jahreszeit gibt es auch einige Gedenktage als aktuelle Anlässe, die sich für das Thema eignen. Wichtig ist, bei der eigenen Quartalsplanung den Vorlauf zu bedenken: Monatsmagazine planen ihre Themen oft bis zu drei Monate im Voraus.

"Der Verlag macht mittlerweile etwa die Hälfte meiner Einkünfte aus, darauf bin ich stolz."

Dorothée Kerstiens
Inhaberin des Wermeling-Verlages

Lohnt sich denn die viele Arbeit? Kannst du mittlerweile von deinem Verlag leben?

Nein, das zu behaupten, wäre unrealistisch, da ich ja Buchgewinne auch in neue Projekte reinvestiere. Von den Caféhaus-Büchern haben wir bisher mehr als 9000 Stück verkauft. Das ist schon beachtlich für ein Sachbuch zu einem Nischenthema– aber natürlich kann ich davon nicht leben. Ich bin mutig geworden und drucke große Auflagen. Der Verlag macht mittlerweile etwa die Hälfte meiner Einkünfte aus, darauf bin ich stolz. Der Rest kommt dann über meine anderen beruflichen Standbeine wie Seminare und Moderation.

Und deine Autoren, können die von den Büchern leben?

Nein. Aber die Autorin des Sternenkinder-Buches ist ja in erster Linie Hebamme, Traumafachberaterin und professionelle Trauerbegleiterin, dafür brennt sie. Sie ist eine bekannte Expertin, die auf viele Kongresse eingeladen wird. Das Buch hilft ihr, ihren Expertenstatus zu untermauern und ihr langfristiges Ziel zu erreichen: Das Buch in jede Geburtsklinik, gynäkologische Praxis, Hebammenpraxis, Beratungsstelle zu platzieren, damit betroffene Eltern adäquat betreut werden und durch das Buch selbst Hilfe bekommen. Für sie ist es also viel wichtiger, dass ihr Buch als Standardwerk wahrgenommen wird und sich dauerhaft verkauft, als dass es ein schneller Bestseller wird.

Lass mich raten: Du hast schon wieder ein neues Projekt, und wieder zu einem völlig anderen Thema?

Richtig geraten! Vor einigen Jahren wurde bei den “Skulpturprojekten” in Münster ein Brunnen der US-amerikanischen Künstlerin Nicole Eisenman ausgestellt, und es gab eine Bürgerinitiative, diese Skulptur für die Bürger der Stadt  zurückzukaufen, damit sie dauerhaft hier bleiben kann, als Zeichen für Frieden und Toleranz für die Friedensstadt Münster. Dieses Projekt war und ist auf so vielen Ebenen inspirierend, dass ich dachte: Diese Geschichte muss unbedingt jemand aufschreiben! Ich bin schon mittendrin, mein Ziel ist eine Veröffentlichung im Herbst 2024.

Dorothée Kerstiens
Dorothée Kerstiens ist als Verlegerin des Wermeling-Verlages eine One-woman-Show, ihr Mann unterstützt sie als Fotograf. Außerdem ist sie als Journalistin und Moderatorin tätig.

Du suchst eine Profi-PR-Strategie für dein Buch – oder einfach für dein Business?

Dann hol dir eine Einschätzung, ob wir bei deinem Thema Presse-Potenzial sehen

Schlagwörter:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Marike Frick

Marike Frick

Marike Frick ist ausgebildete Journalistin und zeigt Unternehmern und Einzelkämpfern, wie sie ihre Pressearbeit selber machen können. Ihre Texte sind u. a. in DIE ZEIT, Brigitte Woman, Financial Times Deutschland, Spiegel Online und Business Punk erschienen. Sie lebt mit ihrer Familie derzeit in Genf, glaubt an die tägliche Ration Kaffee (Barista-Style) und liebt gut gemachte TV-Serien in Kombination mit dunkler Schokolade und Rotwein.